Bücher beim Wort genommen

Ausschnitt aus dem Film von

Vera Botterbusch

Erstausstrahlung am 5.10.1975 im Bayerischen Rundfunk

Als Mitte 1975 die Filmemacherin Vera Botterbusch vom Bayerischen Rundfunk den Auftrag erhielt, ein Fernsehporträt des Schriftstellers Ulrich Becher zu verfassen, stand ihr ausser den biografischen Angaben und den Werken kein weiteres Material zur Verfügung. Voller Tatendrang machte sie sich auf nach Basel, um ein deutlicheres Bild Bechers zu gewinnen. Wie es ihr bei den Dreharbeiten erging, schildert sie in einem Beitrag in der Nummer 4/80 der Literaturzeitschrift 'kürbiskern' unter dem Titel 'Zoom auf Ulrich Becher'.

Unstet, ungesichert vielleicht schon in seinem Wesen, haben die Jahre des Exils Becher unruhig, rastlos gemacht. Viele Jahre gezwungenermaßen ständig unterwegs, ist ihm das "Unterwegssein" zur zweiten Natur geworden. Lange hält es ihn nicht an einem Ort. Die Unruhe oder der Wunsch nach mehr Ruhe treiben ihn ständig zum Aufbruch, von Basel in die nähere Umgebung, zu Hotelvisiten nach Wien, nach Salzburg. Ein Ruheloser auf der Flucht vor der Ruhe. Und dabei auch auf der Flucht vor den Menschen, auf der Flucht vor sich selbst: eine Flucht nach außen. die gleichzeitig die Luken dicht macht.
So ist es mir zumindest erschienen, als ich zum erstenmal mit Ulrich Becher zusammentraf, anläßlich eines Kurzportraits und Autorengesprächs mit ihm für die Sendereihe "Bücher beim Wort genommen" des Bayerischen Rundfunks. (Bechers Roman "Kurz nach 4" war gerade wieder neuaufgelegt worden)....
Zunächst einmal haben wir drei Tage miteinander gekämpft, Ulrich Becher und Madame Bobu wie er mich nannte, so als könne er mich mit dieser Namensgebung in den Personenkreis seiner Roman- und Theaterfiguren einreihen und für sich domestizieren. Becher kämpfte darum, hinter verschlossenen Türen zu bleiben - von daher das Wohnungsverbot natürlich erstes äußerstes Gebot, um einen Einblick in seinen Innenraum zu vermeiden -, er kämpfte um die Figur Becher, den Darsteller, hinter der es die Person zu verstecken, zu verbergen galt. Ich kämpfte, um die Authentizität meines Filmes, um ein möglichst ehrliches, wahres Portrait des Autors. Becher boykottierte, bewußt, unbewußt. Es hagelte lustige Einfälle, Ausweichmanöver, er produzierte sich, monologisierte in einer Weise, die mich fernhalten sollte. Angefangen bei dem Vorschlag einer Dichterlesung vor einem kläffenden Dackelkäfig bis zu einem Vollbad in einer alten rostigen mit Wasser gefüllten Zinkbadewanne auf einer Kuhweide.

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